Schutzstreifen sind optisch abgegrenzte Streifen auf der Fahrbahn, die Radfahrern einen eigenen Raum auf der Straße zuweisen. Sie sind durch eine unterbrochene Linie abgegrenzt. Das bedeutet, dass Kfz-Fahrer diese bei Bedarf überfahren dürfen, allerdings nur in Ausnahmefällen. Sie dürfen dabei aber keine Radfahrer behindern. Beispiel:
Links ist die Schützenstraße Richtung Postkreuzung zu sehen. Nach links geht es in die Marienstraße. Man muss sich vorstellen, dass der Pkw hier nicht geradeaus fährt, sondern in die Marienstraße einbiegen will. In vielen Fällen muss er warten, bis die gegenüberliegende Straßenseite frei ist. Anhand diesen Bildes kann man Folgendes erkennen: Wenn der Pkw an der Mittellinie wartet, können andere Autos nur rechts vorbeifahren, wenn sie den Schutzstreifen befahren. NACHTRAG: In einem aktuellen Artikel in der ADFC-Mitgliederzeitschrift mit der Überschrift Schmale Streifen, schwacher Schutz, wird ein Rechtsgutachten zitiert, wonach das Überfahren eines Schutzstreifens ausschließlich bei der Begegnung mit Fahrzeugen in der Gegenrichtung besteht. Der Schutzstreifen darf weder als Rechtsabbiegespur noch zum Vorbeifahren an wartenden Linksabbiegern genutzt werden - auch nicht, wenn sich in dem Moment kein Radfahrender darauf befindet.
Der Schutzstreifen bietet sich also an, wenn der Platz für einen Radstreifen (= wie Schutzstreifen, aber mit durchgezogener Linie) oder einen Radweg (das ist meistens ein erhöhter sog. Bordsteinradweg) zu knapp ist, um einen möglichst reibungslosen Verkehrsfluss zu gewährleisten, allerdings gemäß Nachtrag nur mit begrenztem Effekt - wenn sich alle denn daran halten.
Der Schutzstreifen heißt so, damit es eine begriffliche Unterscheidung zum Radstreifen gibt. Bei ProRad wird der Begriff manchmal mit Anführungszeichen geschrieben, weil Schutzstreifen keinen echten Schutz bieten. Beides gibt es auch in den Niederlanden, aber z.B. nicht in Dänemark, das ebenfalls als Fahrradland gilt. Wahrscheinlich hat man bei der Einführung von Schutzstreifen diesen in bester Absicht eine Schutzwirkung zugedacht. Jedoch zeigen aktuelle Untersuchungen, dass zum Beispiel der durchschnittliche Überholabstand durch Pkw bei Schutzstreifen geringer ist als ohne Schutzstreifen.
Schutzstreifen gelten gemäß Statistiken als nahezu vergleichbar sicher wie Radwege, die nach modernen Richtlinien gebaut sind. Allerdings sollte der Verkehr nicht zu dicht sein, weil es sonst Konfliktpotenzial gibt. Im obigen Beispiel: wenn viele Autos hintereinander rechts an einem wartenden Linksabbieger vorbeifahren, könnte es Konflikte mit Radfahrern oder gar Unfälle geben.
Weil Schutzstreifen wegen der Raumflexibilität praktisch sind, sollte die Verkehrsdichte also nicht zu hoch sein, weil das die Raumflexibilität konterkariert. Insbesondere gilt hier der Maßstab des Berufs- und Schülerverkehrs. Zudem gibt es einen anderen gewichtigen Grund, Schutzstreifen nicht pauschal als günstige Lösung einzusetzen: Mehrere Umfragen zeigen inzwischen, dass Radfahrer in der großen Mehrzahl auf Radwegen fahren möchten, insbesondere in der Stadt bzw. bei verkehrsstarken Straßen. Das ist natürlich wichtig, wenn es der erklärte Wunsch ist, den Radverkehrsanteil ansteigen zu lassen. Mehr dazu im nächsten Abschnitt. Nebenbei: ProRad schätzt ein, dass Radfahrer, die sich auf der Straße sicher genug fühlen, in der Regel auch ohne Schutzstreifen gut zurecht kommen. Auch das ein Grund, nicht unnötig Schutzstreifen einzurichten.
Fachleute sind sich überwiegend einig, dass Schutzstreifen nicht bei vierspurigen Straßen angelegt werden sollen. Die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung bildet diesen Konsens mehr oder weniger ab (§2 Abs. 1, III). Ein Grund ist, dass der Verkehr auf dem rechten Streifen damit überfordert ist, Radfahrer zu überholen, und gleichzeitig die linke Spur hinter sich im Blick zu haben, weil man in der Regel etwas nach links steuern muss, um den Mindestabstand zum Radfahrer einhalten zu können. Zudem darf der Radfahrer den Schutzstreifen am linken Rand befahren, wenn es zur Rechten parkende Fahrzeuge gibt, aufgrund der sog. Dooring-Gefahr. In den Niederlanden etwa hat man herausgefunden, dass Schutzstreifen nur noch selten an Parkstreifen entlang geführt werden sollten. Die dortige Empfehlung lautet inzwischen: An Parkstreifen entlang nur in Tempo-30-Zonen. Hierzulande sagen die Unfallstatistiken inzwischen auch, dass die Dooringgefahr bei Schutzstreifen wesentlich größer ist (es ist die Rede von 6-facher Wahrscheinlichkeit). Ein Grund ist, dass man auf Radwegen naturgemäß rechts von der Mitte fährt, und so bereits einen größeren Abstand zu Autotüren hat.
Im Februar dieses Jahres berichtete der WDR, dass die Stadt Aachen inzwischen einräumt, ihr Ziel, Menschen mit der Markierung von Radfahrstreifen zum Umstieg aufs Rad zu bewegen, nicht erreicht zu haben. Hintergrund ist ein Verkehrsgutachten, das zu dem Schluss gekommen ist, die entlang der Aachener Hauptstraßen markierten Radfahrstreifen seien nicht sicher. Das Problem ist, dass der vorgeschriebene Mindestabstand von 1,50 Metern beim Überholen oft nicht eingehalten wird. Ein Sprecher der Stadt sagte gegenüber dem WDR, dass die überholenden Fahrzeuge entweder auf die Nachbarspur ausweichen oder - wenn das nicht möglich ist - hinter dem Radfahrer bleiben müssen. Das mache aber fast niemand.
Aus Sicht von ProRad sind Schutzstreifen an überbreiten Straßen ganz problematisch. Der Grund: Faktisch betrifft es vierspurige Straßen, aber weil die Gesamtbreite geringer ist, werden die Abstände zwischen den Verkehrsteilnehmern geringer, wenn Kfz tatsächlich nebeneinander fahren, was oft der Fall ist, z.B. in den nachfolgend abgebildeten Abschnitten an der Aachener Straße und an der Stürtzstraße.
Aachener Straße
Hier wird fast durchgehend nebeneinander gefahren. Eine Fahrspurmarkierung in der Mitte der beiden „Spuren“ gibt es nicht, weil die einzelnen Fahrspuren eigentlich zu schmal sind. Trotzdem gibt es einen Schutzstreifen, obwohl damit gerechnet werden muss, dass Kfz von der Tendenz her zu eng überholen. Aus Sicht von ProRad ist fraglich, ob es hier einer überbreiten Spur bedarf. Die Kreuzung mit der August-Klotz-Straße ist von der Ampelschaltung her so beschaffen, dass es keinen Gewinn beim Verkehrsfluss gibt, wenn man über die Strecke nebeneinander fahren kann. Mehr als die Hälfte der Zeit stehen die Autos vor der Haltelinie der Ampelanlage. Nur dort ist eine mehrspurige Anordnung gut für den Verkehrsfluss, so dass die Kolonnen schnell weg sind, wenn die Ampel auf Grün springt.
Stürtzstraße
Hier ist die Stürtzstraße von der Fußgängerampel bei der Einmündung der Straße Altenteich in Richtung August-Klotz-Straße zu sehen. Ganz links sieht man die Fortführung des Schutzstreifens als Hochbordradweg bis kurz an den beiden Fußgängerampeln vorbei. Hier an dieser Straße ist mehrfach beobachtet worden, dass Radfahrer auf dem Fußweg fahren, ggf. bei der Fußgängerampel just an diesem kurzen Hochbordabschnitt neben der Straße fahren und nach der Fußgängerampel auf dem Fußweg weiter fahren.
Was hier auch häufig beobachtet wird: Dass Pkws nebeneinander fahren, ganz nah am Rand des Schutzstreifens. Seit etwa Herbst 2018 passiert das sogar häufiger, weil die Stadt den Mittelstreifen etwas nach rechts verlegt hat. Man kann zudem erkennen, dass der fette Pfeil ebenfalls etwas nach rechts verschoben wurde. Vor dieser Maßnahme fuhren Kfz hier eher selten nebeneinander, zumindest nicht unmittelbar vor der Fußgängerampel, weil der Platz faktisch zu knapp war. Mit dieser Maßnahme ist der Verkehr hier nicht sicherer geworden.
Dem Verkehrsfluss ist hier mit einer überbreiten Straße kaum gedient, weil die nächste Kreuzung auf der Höhe der Oberstraße den Verkehr bei rot „ansammelt“. Nur weil die Grünphase deutlich länger ist als die Rotphase, ist die Leistungsfähigkeit aufgrund der überbreiten Fahrspur vielleicht etwas besser. Aber: Sicherheit geht vor Leistungsfähigkeit.
Es gibt Regelwerke für die Einrichtung von Infrastruktur, eines dieser Regelwerke heißt ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen). Die aktuelle, noch gültige Fassung ist die ERA 2010. Seit dieser Fassung von 2010 gibt es keine strikten Vorgaben mehr, unter welchen Bedingungen Radwege und unter welchen Bedingungen etwa Schutzstreifen realisiert werden können. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb der Dürener Masterplan keine Radwege mehr vorsieht:
In fast allen Straßen innerhalb der Innenstadt lässt die Verkehrsstärke des MIV [= motorisierter Indivudualverkehr] eine Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn oder auf Fahrbahnniveau auf Radfahrstreifen zu. Die Seitenräume können daher ausschließlich den Fußgängern und dem Aufenthalt (und radfahrenden Kindern) zur Verfügung gestellt werden.
Gesehen in Titz. Hier hat man eine Maßnahme getroffen, dass Kfz gezwungen sind, langsamer zu fahren, weil sie einige Parkbuchten linksseitig und rechtsseitig umkurven müssen, während Radfahrer nur geradeausfahren, und weder Gefahren durch Nach-Links-Schwenken vor einer Parkbucht, noch einer übermäßigen Dooringgefahr ausgesetzt sind. Allerdings sieht es von oben so aus, dass der Schutzstreifen rechts von den Parkbuchten zu schmal ist, so dass ein zu großes Restrisiko an der Beifahrerseite besteht. Allerdings sagt eine niederländische Studie aus 2004, dass sog. Achsverschiebungen, bei denen Radfahrer nicht mitgeführt werden (wie z.B. in der Kreuzauer Straße in Niederau) eine Unfallreduktion um 82 % aufweisen.
Hinweis: Vor jeder Parkbucht sind einige Baken aufgestellt.
Screenshot: https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/
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